24. Februar 2025
Der Gemeindehaushalt 2025 - warum diesmal vieles anders ist
Zu Beginn eines jeden Jahres steht im Rat der Beschluss über den Haushalt der Gemeinde an. Hier wird festgelegt, wie viel Geld die Gemeinde im laufenden Jahr ausgeben will, und wofür. Die Haushaltsberatungen bieten den Parteien die Gelegenheit, die von Bürgermeister und Verwaltung vorgeschlagenen Maßnahmen mit eigenen Anträgen zu ergänzen und zu ändern.
Doch diesmal ist es anders: die Finanzlage der Gemeinde Kall ist desolat, im Haushaltsentwurf klafft eine Lücke von 5,6 Millionen Euro, und die Planung für die nächsten Jahre sieht noch schlechter aus. Es droht das Haushaltssicherungskonzept, mit gravierenden Auswirkungen: die freiwilligen Leistungen müssen weitgehend eingestellt werden, im schlimmsten Fall sind nur noch die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgaben erlaubt.
Und so kam es zu der Übereinkunft der Fraktionen, in einer "Arbeitsgruppe Haushalt" eine gemeinsame Änderungsliste zu erarbeiten mit dem Ziel, die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben kleiner werden zu lassen, und auf eigene Anträge zu verzichten.
Uli Meisen dazu in seiner Haushaltsrede:
Der Haushalt Deutschlands wird in den nächsten Jahren von drei großen Stempeln zusammengedrückt. Zuschüsse zu Renten (122 Milliarden €), Verteidigung (90 bis 150 Milliarden €) und den bisher unterlassenen Hilfeleistungen für unsere Infrastruktur (50 – 100 Milliarden €). Für die übrigen wichtigen Ausgaben und Zukunftsinvestitionen bleibt dann so gut wie nichts mehr übrig.
Das wirkt sich deutlich auf den Haushalt des Landes NRW, wie den Haushalt des Kreises Euskirchen und somit auch auf unseren Haushalt aus.
Darum: Halten wir inne und besinnen uns.
Wo sind die Ziele der Gemeinde Kall, heute, morgen und in 50 Jahren? Wir Grüne in Kall sind die Partei, die an die Enkel, das Leben und die Zukunft denkt. Diese Zukunftsgestaltung wird gelinde gesagt anspruchsvoll, wenn nicht gar sehr anspruchsvoll.
Aber wie schon Hölderlin schrieb: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“.
Wo sind nun die Gefahren für unseren Haushalt, für unsere Gemeinde, unsere Bürgerinnen und Bürger und wo ist das Rettende????
Die finanziellen Gefahren finden sich in den großen Projekten des Wiederaufbaus und im integrierten Handlungskonzepts. Weiterhin, in immer weiter steigenden und nicht gegenfinanzierten Pflichtaufgaben. Diesen Pflichtaufgaben haftet das Risiko an uns auch immer mehr zu erdrücken. Deswegen haben wir den Mut „Stopp!“ zu sagen. Unsere eigenen Projekte haben wir aber schon in der Hand:
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- Bürgerhaus Sötenich, Kunstrasenplatz, Sportlerheim, Starkregenschutzanlage: gute 12 Mio €
- Neubau Feuerwehrgerätehaus Kall: 18,4 Mio €
- Neubau Hallenbad Kall: mehr als 6 Mio €
- Neubau dritte Turnhalle: ???
- Projekt Urftauenpark: mehr als 2 Mio € und das nur im Abschnitt 1
- Kirchenumfeld Kall: 2,08 Mio €
- Nicht zu vergessen: das Bahnhofsumfeld mit unbekannten Kosten in Höhe mehrerer Mio €.
Problematisch sind hier nicht die Investitionssummen. Problematisch sind die entstehenden Folgekosten (weiterer Personalaufbau, Energieverbrauch, usw.). Ein Großteil dieser Projekte ist schön und wünschenswert, aber wenn das Geld jetzt nicht da ist, können wir sie jetzt auch nicht realisieren.Hinzu kommen dann noch die kaum absehbaren und im wahrsten Sinne verborgenen bisher unterlassenen Hilfeleistungen. Das sind Rückstellungen für die Sanierungen von Straßen, im Fall Kall sprechen wir von 112 km Gemeindestraßen und 298 km reinen Wirtschaftswegen. Nimmt man eine Lebensdauer von 20 Jahren für eine Gemeindestraße und 250.000,- € Erneuerungskosten pro km an (geschätzt aus den Sanierungszahlen in Wahlen), dann ergeben sich pro Jahr Kosten von 1,4 Mio €. Hinzu kommen noch Brücken, die durchaus 1 bis 2 Mio € pro Stück kosten.
Tief im Untergrund lauert auch noch das „Kanalungeheuer“. Die Sanierung der Kanäle wird Kosten von gut 1 Mio € pro km oder mehr in Anspruch nehmen. Das Kanalnetz hat in etwa die Länge des Gemeindestraßennetzes, zur Erinnerung, es sind 112 Kilometer. Die Kosten kann man sich dann leicht ausrechnen. Von den immensen, aber notwendigen Investitionen in Starkregenschutz und Hochwasserschutz will ich hier gar nicht sprechen
Und wo ist nun das Rettende?
Noch haben wir wichtige Entscheidungen und die Planung selbst in der Hand. Wir müssen uns mit Blick auf unsere Enkel, das Leben und die Zukunft fragen, was zu tun und was zu unterlassen ist. Kall hat starkes bis sehr starkes Gewerbe, das auch hohe Steuererträge eingebracht hat. Dafür sind wir sehr dankbar und fördern auch Engagement und Kreativität der Unternehmen.
Die Bürgerinnen und Bürger erleben gerade eine Grundsteuerreform und auch hier sollten wir uns aufgrund der sehr anspruchsvollen Zukunftsaufgaben auf Steuererhöhungen einstellen.
Unsere Bürgerinnen und Bürger wünschen sich weniger Regulierungen, weniger Bürokratie sowie schnelle und einfache Verfahrensabläufe. Das sehen wir auch so. Zudem wünschen wir uns das Engagement eines jeden Einzelnen. Die Gemeinde und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können den Weg frei machen für viele kleine Aufgaben, die dann selbst ausgeführt werden und so zu Einsparungen führen. Beim naturnahem Starkregenschutz ist hier ja viel möglich.
Einnahmen aus Pacht, Beteiligungen und Steuern aus Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien führen ebenfalls zu Einnahmen.
Es ist leider nicht von der Hand zu weisen, dass wir uns in der Vergangenheit durch hohe Gewerbesteuereinnahmen blenden ließen.
Deswegen: Befreien wir uns von so manchen schönen Ideen, die uns in der nahen Zukunft finanziell, strukturell und personell überfordern könnten und gewinnen so Raum und Zeit eben für die Zukunft.
Wir danken an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeinde, der Feuerwehr, allen ehrenamtlich Tätigen und allen, die sich in Kall für die Zukunft stark machen.
Wir haben es gemeinsam in der Hand, die Zukunft in Kall zu gestalten.
Ich habe meine Rede mit Hölderlin begonnen und möchte abschließend, angelehnt an seine Worte, die Frage für unsere Zukunft stellen:
Wollen wir unser Land voller gelber Birnen und Rosen an der Urft sehen oder stehen wir sprachlos vor kalten Mauern und hören die klirrenden Fahnen?