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18. Februar 2018

Artenschutz und Gewerbegebiet

Seit Jahren planen wir in der Gemeinde Kall ein neues Gewerbegebiet an der L206, Richtung Scheven. Schon 2014 wurde dazu in einem ökologischen Gutachten zum Artenschutz festgestellt, dass hierdurch mehrere Tierarten beeinträchtigt werden, deren Bestand als gefährdet gilt, u.a. mehrere Paare Feldlerchen. Daher wurden entsprechend dem Bundesnaturschutzgesetz konkrete Maßnahmen zur Schaffung alternativer Brutplätze in der Nähe auferlegt. Diese sogenannten „Vermeidungsmaßnahmen“ können nicht garantieren, dass die betroffene Tierwelt keinen irreparablen Schaden erleidet, sondern nur die Voraussetzungen dafür schaffen, den Schaden möglichst gering zu halten. Wir Grüne haben daher frühzeitig und wiederholt darauf hingewiesen, wie unabdingbar diese Maßnahmen sind und dass mit der Baufeldfreimachung für das Gewerbegebiet erst nach deren Umsetzung begonnen werden darf. In Abstimmung mit der Unteren Landschaftsbehörde wurde nun quasi in letzter Minute die Voraussetzung dafür geschaffen, mit den Arbeiten im Gewerbegebiet III bis März beginnen zu können. Anderenfalls hätten die Arbeiten im GG III aus Gründen des Artenschutzes erst im Herbst aufgenommen werden können.

An dieser Stelle ist es wichtig, ein häufiges und fundamentales Missverständnis zum Artenschutz aufzugreifen: beim Artenschutz geht es nicht darum, individuelle Tiere vor dem Tod zu retten. Das träfe nur bei unmittelbar vom Aussterben bedrohten Arten zu. Es geht vielmehr darum, einerseits die Lebensgrundlagen für eine Tierart zu erhalten, andererseits durch den Schutz dieser Art dem Erhalt und Schutz des Ökosystems zu dienen.

Ein ausbalanciertes Ökosystem ist die Voraussetzung dafür, dass die Tier- und Pflanzenwelt dauerhaft erhalten bleiben und damit ihre wichtige Funktion für Klima und Ernährung erfüllen. Was geschieht, wenn an der Natur durch kurzfristige Gewinnorientierung Raubbau betrieben wird sieht man z.B. in den USA, wo mehr als eine Millionen Bienenvölker in großen Trucks quer durch das Land hin und her gekarrt werden müssen, weil die natürliche Bestäubung nicht mehr funktioniert. In China gibt es bereits Landstriche, in denen Obstbäume von Scharen von Arbeitern per Hand (!) bestäubt werden müssen. Die USA versuchen derweil mit Millionen schweren Forschungsprogrammen zur Bestäubung durch Schwärme von Roboter-Bienen den drohenden Kollaps ihrer Obstproduktion abzuwenden. In Deutschland sind wir von der Situation in China und den USA zwar noch ein Stück entfernt, aber das Bundesamt für Naturschutz konstatiert: „Der Zustand der Artenvielfalt in Deutschland ist alarmierend. … Es besteht daher dringender Handlungsbedarf“. Etwa die Hälfte aller Brutvogelarten in Deutschland ist in ihrem Bestand gefährdet. Die Zahl der Insekten ist alleine in Naturschutzgebieten in den vergangenen drei Jahrzehnten sogar um erschreckende 75% zurückgegangen, was für nicht geschützte Gebiete noch schlimmeres befürchten lässt. Dabei müssen rund 80% unserer Nutz- und Wildpflanzen von Insekten bestäubt werden. Neben unserer industrialisierten Agrarwirtschaft die Chemikalien wie z.B. Glyphosat flächenhaft ausbringt sind der Landverbrauch und unser Umgang damit eine wesentliche Ursache für diese schleichende Degradation unserer Tier- und Pflanzenwelt. Konkret im Bereich des neuen GG III konnte man noch bis in die Achtziger Jahre Rebhühner und mit viel Glück auch mal einen Fasan antreffen.

Deswegen geht es bei der Baufeldfreimachung im neuen Gewerbegebiet in Kall eben nicht nur um „ein paar Vögel“, sondern um den Erhalt des Ganzen – zumindest dem Rest an Artenbestand, der uns bislang noch geblieben ist.

(Autor: Guido Huppertz, Ratsmitglied)

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